Versuche Anzucht aquatischer Biomasse
Algenproduktion auf Oberflächenwasser unter Einbeziehung weiterer flüssiger Reststoffströme
Im AP4 (innovative Techniken) wurde 2023 der Algenreaktor in Betrieb genommen. Dazu gehörte der Aufbau eines Folientunnels (20m lang, 3m breit) und das Schaffen von einem tragfähigen nivellierten Grund für die Stützen der Röhren und des Ausgleichsbehälters. Dies wurde im Winter 2022 realisiert. (Abb.1)
Daraufhin wurde der Algenreaktor aufgebaut (Füllmenge ca. 650 L, Gesamtlänge 250m) und in Betrieb genommen (Abb. 2). Nach dem Animpfen mit Algenmaterial in 2023 und einer Einlaufzeit von 1 Monat wurden mehrere Sensoren der Firma Trios inkl. einer Logger-Box installiert. Die Sensorik umfasst dabei folgende Parameter (Abb.3):
- Sauerstoffgehalt
- Trübung
- Aus Trübung abgeleitet den TS-Gehalt
- Temperatur
- pH-Wert
- Leitfähigkeit
Nach dem Animpfen wurden die Algen mit einem handelsüblichen Blumendünger versorgt, um ein gutes Anwachsen zu garantieren. Eine Menge von 150 L wurde davor auf vier Zylinder aus Plexiglas verteilt (Abb. 4), um eine Rückstellkultur zu haben für den Ausfall der Algen im Röhrenreaktor. Die Zylinder haben ein Füllvolumen von 2x70L und 2x20 L. Die Durchmischung geschieht über zwei Luftpumpen, welche pro Zylinder eine Ausströmerplatte versorgen.
Im Laufe der Zeit wurde die Algenbiomasse händisch selektiert auf rasches Absinkverhalten. Dies ermöglicht einen Überstand mit rel. wenig Algen und das Erhalten einer Sedimentschicht (Abb.5), welche einen mit Biomasse angereicherten Bereich aufweist. Damit ist es möglich, energieaufwändige Verfahren wie das Abzentrifugieren effizienter zu gestalten. Das Absinken geschieht durch die händische Selektion innerhalb eines kurzen Zeitraums (ca. 10 Minuten).
Nach Inbetriebnahme der Zylinder und des Reaktors wurde eine Strommessung installiert, die den Energieverbrauch der gesamten Apparatur misst. Das System verbraucht permanent ca. 160 Watt (3 Luftpumpen, 1 Wasserpumpe und die Logger-Box inkl. Sensoren).
Die Messungen der Nährstoffgehalte im Medium werden über Küvettentests der Firma Hach-Lange in einem Fotometer durchgeführt. Es werden die Nährstoffe Ortho-Phosphat (PO4) und Ammonium (NH4) erfasst. Im ersten Jahr 2023 mussten allerdings so viele Herausforderungen gemeistert werden, dass die Nährstoff-Messungen nur sehr vereinzelt durchgeführt wurden und somit keine Nährstoffaufnahme in Abhängigkeit von den geloggten Werten und der Biomasseproduktion durchgeführt werden konnte.
Herausforderungen und Probleme:
Die Herausforderungen waren nach dem Animpfen und Hochwachsen der Algen im Reaktor folgende:
- Hitzestress und Absterben der Kultur
- Zusammenbrechen der Kultur wegen Fraßfeinden
- Überwachsen der Algen durch Bakterien
- Störungen und Aussetzer bei der Wasserpumpe
Lösungen zu den Problemen, die in 2023 gefunden wurden:
zu a.
Die Algenkultur wurde laut den geloggten Daten schnell über 35°C warm in den sonnenreichen Zeiten. Dies führte zu einem Absterben. Da es keine Möglichkeit der aktiven Kühlung gab in den ersten Monaten, wurden Algen aus den offenen Zylindern nachgeimpft, nachdem der Reaktor geleert, gesäubert und wieder betriebsbereit war. Dies führte zu massiven Problemen. Installiert wurde dann ein Kühlaggregat, welches in einem einstellbaren Regelbereich arbeitet. Das Kühlen wurde bei 32°C eingeleitet und ist bis zu einem Erreichen von 28°C durchgeführt. Dabei werden in den Kühlzeiten ca. 1780 Watt verbraucht. Eine Nutzung der Wärmeenergie für andere Zwecke oder eine alternative Kühlmöglichkeit wäre erstrebenswert.
zu b. und c.
Um den Mineraldünger zu ersetzen durch die Nährstoffe im Oberflächenwasser, wurden Teile des Algenmediums aus dem Reaktor abgelassen (150L) und batchweise Oberflächenwasser dazu gegeben. Dies kommt aus einem 300m³ fassendem Becken. Es hat sich sehr schnell gezeigt, dass die Nährstoffkonzentrationen aus dem Wasser zu gering sind, als dass sie eine Algenkultur ermöglichen. Ein Zusatz von Flüssigphase aus separiertem Gärrest hat zu einem Anstieg der Algendichte geführt, aber auch Bakterien und andere Frassfeinde in das System geholt. Dies hat zu einem erneuten Absterben der Kultur geführt und wurde somit als Nährstoffquelle für die Zukunft verworfen.
zu d.
Die Wasserpumpe geht in regelmäßigen, aber nicht vorhersehbaren Intervallen in einen Störungsmodus obwohl keine mechanischen Beeinträchtigungen vorliegen. Nach einem Reset des Systems läuft die Pumpe wieder normal an und regelt sich ein. Allerdings führen diese Aussetzer dazu, dass sich der Ausgleichsbehälter füllt und dann das Algenmedium überläuft und große Mengen der Algen verloren gehen. Dies wurde behoben, indem eine Zeitschaltuhr vor die Pumpe gesetzt wurde, die die Pumpe einmal in der Stunde für 1 Minute vom Strom nimmt. Dies Abschalten ist ohne negative Konsequenzen für die Algen, verhindert aber ein Überlaufen des Ausgleichsbehälters.
Im September 2023 wurde in einem anderen Projekt (ÖkoPro – Ökonomische Prozessketten der aquatischen Bioökonomie auf Biogasanlagen), welches sich mit der Algenproduktion auf biogenen Nährstoffströmen beschäftigt, seitens 3N ein Aufbereitungsverfahren von Gärresten/Oberflächenwasser/Algenmedium getestet, welches in dem Bereich der Mikrofiltration arbeitet. Dies System führt zum Zurückhalten von Bakterien und Frassfeinden in den natürlichen Medien und das gewonnene Filtrat wurde im Algenreaktor als Nährmedium eingesetzt. Auch hier waren mehrere Anläufe notwendig, bevor sich eine Algenpopulation entwickelt hat, die unter diesen Wachstumsbedingungen eine stabile Biozönose aufgebaut hat. Es handelt sich hierbei um eine Mischung aus verschiedenen Algen (Fadenalgen und Mikroalgen), aber auch Objekten, die wie Pilzhyphen aussehen (Abb. 5). Auch ist es wahrscheinlich, dass es eine gewisse Bakterienpopulation gibt, die sich in diesem nicht geschlossenen System etabliert hat. In der Literatur findet man viele Hinweise darauf, dass sich eine solche Gemeinschaft unter natürlichen Bedingungen bildet und damit eine gewisse Stabilität des Systems erreicht wird. Es wurden dazu in die stabile Biozönose 50 L von dem Gärrest auf 650 L Gesamtvolumen gegeben. Bei jedem erneuten Füttern wurden 50 L aus dem System entnommen und mit 50 L Filtrat aufgefüllt. Allerdings weist das Filtrat eine starke Trübung (Abb. 6) auf, so dass eine Minderung der Lichtmenge und damit der Photosyntheseleistung wahrscheinlich ist. Die Trübung besteht nicht aus Teilchen, sondern ist mehr mit einem Farbstoff zu vergleichen. Darum wird davon ausgegangen, dass es sich hierbei um Huminsäuren handelt. Ein Filtern dieser Stoffe wird in 2024 probiert in Zusammenarbeit mit dem DBFZ.
Winterbetrieb:
Nachdem sich eine stabile Algenbiozönose gebildet hatte und die technischen Herausforderungen gemeistert waren, wurde der Winterbetrieb getestet. Hierzu wurde mikroskopisch untersucht, ob sich die Zusammensetzung der Algen/Bakterien/Pilze durch die verminderte Temperatur im Laufe der Zeit verändert. Allerdings mussten auch hier erstmal technische Hürden überwunden werden. Die erste Annahme, dass durch die ständige Wasserbewegung alleine ein Zufrieren zu verhindern sei, entpuppte sich als falsch. Im Pumpenbereich und im Ausgleichsbehälter bildeten sich Eiskristalle, die einen Weiterbetrieb unmöglich machten. Es wurde ein Heizelement installiert, welches den weiteren Betrieb ermöglichte, allerdings den Stromverbrauch wieder auf ebenfalls ca. 1800 Watt angehoben hat. Um eine Winterbiozönose zu etablieren, wurde das Temperaturniveau im Reaktor zwischen zwei und sechs Grad eingeregelt. Die Versorgung mit dem Filtrat wurde im Reaktor durchgehend durchgeführt. Die Algen wurden regelmäßig mikroskopiert. Eine Veränderung der Algenzusammensetzung konnte nicht festgestellt werden. Allerdings verfärben sich die Algen braun, behielten aber die sedimentierende Eigenschaft bei (Abb.7). Die Verfärbung kann allerdings Waschen mit Wasser und anschließendem Sedimentieren reversibel gemacht werden kann (Abb.8).
Ein Einsatz des Gärrestes nach den Separationsschritten Pressschnecke – Zentrifuge – Mikrofiltration erscheint für eine gute Biomasseproduktion nicht zielführend.
Verwendung der Algenbiomasse
Die Algenbiomasse und die Produktion von Biozönosen auf natürlichen Medien wie Oberflächenwasser und Gärrest in verschiedenen Aufbereitungsformen ist in dem Maßstab noch nie gemacht worden. Daher ist eine Verwertung der Biomasse auch nicht trivial, zumal relativ wenig Biomasse auf Grund der beschriebenen Probleme bislang zur Verfügung stand. Es wurden allerdings erste Ernten von groben Algenflocken (Siebernte) und einer Sedimentschicht genommen und bei 40°C getrocknet (Abb. 9). Die runden Objekte (links) und das rechteckige Element (rechts) sind aus Algenflocken. In einem Versuch mit einem Brenner wurde die Brennbarkeit getestet. Das Material ist mindestens schwer entflammbar, da auch nach 10 Sekunden Brennerflamme auf einen Punkt halten keine Flamme entsteht. Das flächige Material aus der Sinkschicht mit weniger groben Flocken (Mitte) wurde nicht weiter untersucht.
Nach Kontaktaufnahme mit der Hochschule Bremen/Schwerpunkt Naturfaserverbundwerkstoffe wurde Interesse an dem Material signalisiert und eine Untersuchung mindestens hinsichtlich der Entflammbarkeit wird wissenschaftlich durchgeführt. Untersuchungen in Bezug auf Nährstoffgehalt in der Algenbiomasse werden weitere mögliche Verwendungswege (Futter für Insekten z.B.) aufzeigen.
Versuche im Jahr 2024:
Es wurden Untersuchungen hinsichtlich der N-Aufnahme durch die Algenbioamsse im Reaktor untersucht.
Hierfür wurden Proben gezogen, mit 1.5µm Spritzenvorsatzfiltern filtriert und anschließend mittels Hasch-Lange-Küvettentests analysiert. Beispielhaft sind 2 Monate dargestellt (Abb. 10).
In diesem Zeitraum wurden an den Punkten folgende Düngungen vorgenommen
1 = 10 L Filtrat Düngung
2 = Ernte (200L), Düngung = 179L OW, 20 L Filtrat, 0.8 L ASL)
3 = 40 L Filtrat
Nach Punkt 1 ist deutlich zu sehen, dass eine Verringerung der Abnahme der Ammonium-Konzentrationen eingetreten ist. Diese steigt wieder auf das Niveau vom Zeitraum 12-23.06 an, nachdem eine Ernte (200L) und erneute Aufdüngung stattgefunden haben. Eine Entnahme der Algenbiomasse verringert wahrscheinlich den Konkurrenzdruck und das Ausdünnen der Kultur führt zu einem verstärkten Wachstum und damit einhergehend zu verstärkter Aufnahme von Ammonium. Dies ist zu beobachten, bis es wieder zu einer Sättigungsphase kommt, in der die Aufnahme von Ammonium wieder abflacht.
Eine Überdüngung der Algen (Vergiftungserscheinungen durch zuviel Ammonium) wurde vermieden. Hier ist aus Versuchen aus dem Projekt GroenGas bekannt, dass Algenbiozönosen unterschiedlicher Art ab 140mg NH4/L Wachstumsdepressionen erleiden oder sogar ein Kollaps der Kultur eintritt. Allerdings gibt es Quellen, die eine höhere Ammonium-Toleranz ausgeben (persönlicher Austausch). Hier wird von Arbeitskonzentrationen von 300mg NH4/L ausgegangen. Diese Versuche wurden nicht mehr durchgeführt.
Die Ermittlung der Verwendungsoptionen für die geernteten Algenmassen wurden in 2024 verstetigt und ausgebaut.
Dabei wurden zwei Wege verfolgt: 1. Die stoffliche Verwendung und 2. Die Ermittlung der ernährungsphysiologischen Werte für eine zukünftige Nutzung im Feed-Sektor.
Zu 1.) Auf Grund der Erkenntnis aus den Versuchen, das Material zu entflammen, wurde mit Prof. Jörg Müssig der Kontakt hergestellt und nach einigem Austausch getrocknetes Material an die HS Bremen versendet.
Prof. Müssig und Msc. Bade haben dann in einem Versuchsstand die Ermittlung der Entflammbarkeit getestet.
Dafür wurden die Proben feinst gemahlen und anschließend in unterschiedlichen Anteilen (0%, 2% und 5%) in GreenPoxy 56 Harz gemischt. Daraus wurden dann Zugstäbe hergestellt und diese zuerst auf ihre Festigkeit geprüft.
Das Ergebnis ist in Abb. 11 zu sehen.
Es wurde festgestellt, dass ein Bruch der Stäbe mit Beimischung der Algen früher eintritt als ohne Die Beimischung. Allerdings wurde beim Besprechen der Ergebnisse auch festgehalten, dass es bei der Feinvermahlung und dem Anmischen zu Poren gekommen sein könnte, die einen stärkeren Einfluss auf das Bruchverhalten gehabt haben könnten als das Einmischen der Algen an sich. Hier sollen in Zukunft weitere Untersuchungen Aufschluss geben.
Weitere Untersuchungen auf die Entflammbarkeit wurden im Anschluss durchgeführt (nach Versuchstand der Norm UL94). Die Ergebnisse sind in Abb. 12 zu sehen.
Hierbei wurden bei den Teststäben mit 5% Algenbeimischung sehr gute brennhemmende Eigenschaften nachgewiesen. Die Flamme erlosch automatisch nach 2-3 Minuten, wohingegen die Stäbe ohne bzw. mit 2% Algen auch am Versuchsende noch weiter brannten. Ein Einsatz in diesem Bereich (gerade der biogenen Baustoffherstellung) scheint vielversprechend. Allerdings sind hierzu weitere Versuche nötig, um eine Reproduzierbarkeit und Ermittlung der genauen Daten zu ermöglichen.
Zu 2.) Im Verlauf des Jahres wurden zu verschiedenen Zeitpunkten Proben aus dem Reaktor entnommen. Nach Sedimentation (um die flockulierende und sedimentierende Eigenschaft der Algenflocken als energiearme Erntemöglichkeit zu nutzen), wurden die Sedimente in Kanister abgefüllt und eingefroren. Diese wurden dann gesammelt an das Fresenius-Institut geschickt und dort auf die BIG8-Nährstoffe analysiert.
Um eine Vergleichbarkeit der Nährstoffgehalte der Algenmassen zu gewährleisten, wurden die ermittelten Werte auf die Trockensubstanz normiert. Dies ist notwendig, da die TS-Gehalte sehr stark schwankten (Abb. 13).
Einige Algen haben die Eigenschaft, mit Reservestoff-Einlagerungen auf schwankende Nährstoffverfügbarkeiten zu reagieren. Diese Reserve-Stoffe können in Form von Eiweiß, Fett oder Kohlenhydraten gebildet werden. Die Werte sind in Abb. 14 zu sehen.
Quantitativ wurden die Algenmassen nicht kontinuierlich erfasst. Daher ist eine nährstoffabhängige Biomasseproduktion nicht darstellbar. Allerdings geben die in Abb. 10 dargestellten Düngergaben Aufschluss darüber, dass mit steigender N-Verfügbarkeit (Probe 5-8) eine stärkere Kohlenhydrat-Einlagerung in den Algen stattfindet. Umgekehrt erhöhen sich die Eiweißgehalte stark, wenn eine Minderversorgung mit Stickstoff besteht (Probe 1-4). Diese Versuche zeigen, dass sowohl ASL als auch der mikrofiltrierte Gärrest als Stickstoffquelle gut genutzt werden können. Es sind weitere Versuche notwendig, um den Einfluss der Nährstoffe N und P (als Ammonium bzw. Ortho-Phosphat) auf die Biomasseproduktion und damit den absoluten Gehalten an erntebaren Kohlenhydraten bzw. Proteinen zu bestimmen.
Aus Abb. 14 geht weiterhin hervor, dass der Fettgehalt der Algen im eher niedrigen Bereich liegt. Eine oft diskutierte Nutzung von Algenmassen zur Produktion Treibstoffen fällt in diesem Fall für diese Algenbiozönose weg. Eine Optimierung der Wachstumsbedingungen (oder eben Verschlechterung) hin zu einer verstärkten Fett-Einlagerung könnten ebenfalls in Zukunft Bestandteil von wissenschaftlichen Versuchen sein.